Hoffnungsbarometer

Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. (Ernst Bloch)


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Hoffnung 2012 – Medienmitteilung – Aufbruch ins Private als Hort der Hoffnung

Im November 2011 führten swissfuture und weiterdenken.ch zum dritten Mal die grosse Internet-Umfrage zu den Hoffnungen der Schweizerinnen und Schweizer durch. Auch dieses Mal nahmen wieder über 5‘000 Personen an der Umfrage zu ihren Hoffnungen für das kommende Jahr teil. Die Resultate zeigen beachtenswerte Ergebnisse, die uns wertvolle Impulse für unser Privatleben, aber auch für unser Zusammenleben am Arbeitsplatz und in der Kirchgemeinde geben können.

 

Aufbruch ins Private als Hort der Hoffnung

Nach zwei Jahrzehnte der ökonomischen Euphorie und eines materialistischen Welt- und Menschenbildes melden sich in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit soziale und emotionale Bedürfnisse zurück. Die weltwirtschaftliche Euphorie ist als Illusion geplatzt, die grossen politischen Konzepte haben sich nicht als Visionen bestätigt –konsequenterweise rücken die Menschen näher zusammen und suchen Vertrauen und Hoffnung im unmittelbaren sozialen Umfeld. Wem bin ich nahe genug, dass ich ihm vertrauen kann? Wer ist mir nahe genug, so dass er mir in Not helfen wird? Die traditionellen Vorstellungen von Ehe, Partnerschaft, Familien und Freunden und gewinnen wieder an Bedeutung. 64% hoffen auf eine glückliche Ehe bzw. Freundschaft. Wenig überraschend: diese Hoffnung ist bei Frauen (67%) verbreiteter als bei Männern (62%). Doch eher erstaunlich: Diese Hoffnung nimmt mit steigendem Bildungsniveau zu.

Auf Platz 1 der grössten persönlichen Hoffnungen rangiert die „glückliche Ehe, Familie und Partnerschaft“ (64%) noch vor der persönlichen Gesundheit (55%) oder dem beruflichen Erfolg (39%).

Bei der Frage nach den grossen Hoffnungsträgern belegen das Selbstvertrauen in die eigene Person (44%), der Ehepartner (32%) und die eigenen Kinder (20%) Spitzenplatzierungen unter den Top 6. Und als Hoffnungsvermittler in schwierigen Zeiten werden unter den Top 3 die Menschen des unmittelbaren sozialen Umfelds gesehen: Ehepartner und Familie (71%), Freunde (62%) und die Eltern (47%) – weit vor religiösen oder professionellen Funktionsträgern. So stammen auch die wichtigsten hoffnungsvermittelnden Erfahrungen aus dem engsten Umfeld: für 61% in guten Beziehungen zur Familie, für 53% in guten Beziehungen zu Freunden – der Erfolg im Beruf wird nur von 28% genannt.  So erstaunt es auch nicht, dass das eigene Zuhause (46%) und die Gemeinschaft mit Freunden (48%) unter den Top 3 der symbolischen Orte der Hoffnung rangieren – der Arbeitsplatz wurde nur von 3% genannt.

Der Mensch hat eine Sehnsucht nach Einheit mit sich selbst, dem Du, der Welt, mit Gott. Nach Viktor Frankl ist der der Wille zum Sinn der Wunsch des Menschen, die Zerrissenheit des Lebens zu überwinden – denn da, wo Beziehung, Einheit hergestellt ist, wird Sinn erfahren.“ Gesunde Menschen sind trotz ihrer hohen Selbstachtung nicht übermässig nachsichtig gegen sich selbst, und nicht nur mit der eigenen Person oder dem eigenen Wohlergehen beschäftigt. Vielmehr setzen sie sich Ziele, die über ihr persönliches Wohl hinausgehen. Die Ziele können weit gesteckt oder ganz bescheiden sein, entscheidend ist jedoch, dass sie ihrer Natur nach nicht egoistisch sind, sondern anderen nützen. Gesunde Menschen sind mitfühlend und haben einen ausgeprägten Gemeinsinn. Sie versuchen erst zu verstehen und dann, verstanden zu werden. In unsicheren Zeiten geben beständige Beziehungen Sicherheit und bieten Hoffnung. Denken Sie nur daran, welche unzerreissbaren Bindungen in Notzeiten zwischen Kindern oder zwischen Erwachsenen schon immer entstanden sind! Joachim Bauer hat in seinem Buch „Das Prinzip Menschlichkeit: Warum wir von Natur aus kooperieren“ darauf verwiesen, dass wir weiter kommen, wenn wir füreinander da sind, als wenn wir uns gegenseitig übervorteilen.

 

Helden des Alltags als Hoffnungsträger Nr. 1

Wenn es um Vorbilder und Hoffnungsträgerinnen und -träger geht, dann setzen Schweizerinnen und Schweizer nicht auf politische, wirtschaftliche oder religiöse Führer und Lichtgestalten, sondern sie schauen am liebsten auf die unscheinbaren Helden des Alltags und das unmittelbare persönliche Umfeld. 53% (und sogar 62% der Frauen) wählten „die vielen Menschen ohne grosse Namen, die ihr schweres Schicksal bewundernswert bewältigen“ und so auch zum konkreten und realistischen Vorbild für den eigenen Alltag werden. Demgegenüber erhielt Barack Obama nur 20% der Stimmen und die am meisten genannte Bundesrätin, Evelyne Widmer-Schlumpf, nur 10%. Philipp Hildebrand als die am meisten genannte Führungsperson aus Wirtschaft und Finanzen gar nur 4%.

Es ist bezeichnend, dass die wahren Helden nicht die grossen Forscher oder die bedeutenden Politiker sind, weder die berühmten Künstler noch die bekannten Sportler; sondern an der Spitze der Hoffnungsträger rangieren Menschen, «die ein schweres Schicksal meistern», und solche, «die sich unter grossen persönlichen Opfern für andere einsetzen, anderen helfen». Wer auch noch in einer hoffnungslosen Situation, der er hilflos gegenübersteht einen Sinn erkennt, kann diese einfacher meistern. Worauf es ankommt, ist die Haltung und Einstellung, mit der er einem unvermeidlichen und unabänderlichen Schicksal begegnet. Viktor Frankl – der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse – hat daraus seine Konzeption erarbeitet, welche sich durch die Resultate der Umfrage bestätigen. Es macht den Menschen deshalb Mut, dass es die einfachen Leute sind, welche ihr Schicksal meistern, weil sie nicht unerreichbare Grössen sind; jeder kann also sein Schicksal meistern.

 

Hoffnung gesucht durch sinnvolle und zufriedenstellende Arbeit

Offenbar ist der Mensch doch kein reiner homo oeconomicus, denn 48% erhoffen sich für 2012 eine sinnvolle und zufriedenstellende Aufgabe. Dies ist wichtiger als  Erfolg am Arbeitsplatz (39%). Wir brauchen zwar Geld, um in einer markt­wirtschaft­lichen Gesellschaft überleben zu können, aber um glücklich zu sein, ist die Sinnfrage gerade auch am Arbeitsplatz doch noch wichtiger als die reine Geldfrage.

Diese Gewichtung wird durch einige demografische Unterschiede pointiert: Sie gilt für 53% der Frauen aber nur für 44% der Männer. Und sie nimmt mit steigendem Bildungsniveau zu: so wünschen sich 59% der Universitäts- und Hochschul­absolventen eine sinnvolle Arbeit – aber nur 43% der Berufsschulabsolventen nennen diese Hoffnung.

Für dieses Thema wird auch persönliches Engagement investiert. Bei der Frage „Für welche Bereiche haben Sie sich 2011 persönlich engagiert?“ antworten immerhin 34% in diesem Sinne. Der Verlust des Lebenssinns ist bei der Frage „Wann in Ihrem Leben waren Sie schon besonders verzweifelt und hoffnungslos?“ die 5.-häufigste Antwort. Und bei der Frage „Welche Ihrer bisherigen Erfahrungen stärken Sie in Ihrer Hoffnung?“ nennen 45% „Der Dank von Leuten, denen ich geholfen habe“ und 33% nennen „Gutes Tun für einen sinnvollen Zweck“.

Die Sinnfrage motiviert. Der Mensch möchte sich identifizieren mit seinen Aufgaben und seiner Umgebung. Wo Sinn- und Wertelosigkeit herrschen, erkranken Menschen, Unternehmen, Wirtschaft und die Gesellschaft.
Der grösste Teil der Umfrageteilnehmenden möchte eine Kultur, die sinnvolle Rahmenbedingungen, menschliches Wachstum zulässt und das Stiften von Nutzen für andere Menschen in den Mittelpunkt stellt, eine „neue Beziehungsqualität“ im Sinne eines förderlichen, selbstwertstärkenden „Miteinander Umgehens“ ermöglicht. Leider kommen die Führungspersönlichkeiten als Hoffnungsträger sehr schlecht weg. Wohl gerade deswegen, weil sie diese Kultur nicht bieten können oder wollen. Der Hauptdenk- und Lernfehler ist, dass wir „Nehmen“ wollen ohne zu „Geben“. Frau Pircher-Friedrich meint denn auch, dass wir zuerst geben müssen, bevor wir nehmen können. Unser egozentrisches, kurzsichtiges, lineares und fragmentierendes Denken steht persönlichem und dem Wachstum und Erfolg im Wege.

Es ist deshalb wichtig, dass Unternehmen und Werke auch Geisteshaltungen, Vorbilder, Visionen, Werte und Hilfestellungen anbieten, die dem Menschen seine Würde im Sinne eines freien, authentischen Wesens wiedergeben, den Menschen in seine Verantwortung wieder zurückführen und ihn zu Spitzenleistungen herausfordern.

 

Suchst Du die Hoffnung? Dann suche die Natur!

Nicht religiöse Orte, auch nicht Orte von Bildung, Fortschritt und grossen politischen oder wirtschaftlichen Erfolgen, sondern die eigene Naturerfahrung ist für den Schweizer die Quelle der Hoffnung. Seien es die Antworten auf die Frage „An welchen Orten empfinden Sie ein besonderes Gefühl der Hoffnung“, auf „Welche Ihrer bisherigen Erfahrungen stärken Sie in Ihrer Hoffnung?“ oder auf „Wie reagieren Sie, wenn sich Ihre Hoffnungen nicht erfüllen?“ – jedes Mal belegt die persönliche Erfahrung der Natur einen Spitzenplatz.

Bedenklich ist dabei: Die grossen Symbole und Schlagworte des aktuell geltenden Leistungs- und Erfolgsprinzips der liberalen Marktwirtschaft rangieren deutlich dahinter. Der eigene Arbeitsplatz ist gar nur für 13% ein Ort der Hoffnung.

Weshalb schöpfen die meisten Leute Hoffnung aus der Natur? Wenn wir davon ausgehen, dass der Mensch nach der Sinnhaftigkeit seines Lebens fragt, findet er u.a. in der Natur dazu die Umgebung, welche ihm helfen drei Themenfelder – die Hoffnung spenden – zu beleuchten: 1. die Bewusstmachung der lebbaren Möglichkeiten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben sind, 2. um die Bewusstmachung der lebbaren Sinnmöglichkeiten und 3. um die Bewusstmachung der persönlichen Verantwortung gegenüber solchen Sinnmöglichkeiten. Gelebt werden kann nur was in mir lebt. In der hektischen technischen Umgebung in der wir uns meist befinden, ist die ruhige Umgebung der Natur ein idealer Ort in dem sich der Mensch auf die existenziellen Fragen des Lebens ausrichten kann.