Hoffnung im Alten Testament
Für „Hoffnung“ und „hoffen“ wird im Alten Testament ein Vokabular verwendet, das synonym mit
- auf etwas gespannt sein, warten, harren,
- vertrauen, sich verlassen
verwendet werden kann (vgl. Evangelisches Kirchenlexikon EKL, 4.999; und Religion in Geschichte und Gegenwart – Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft RGG3, 3/415). Auffallend ist bei diesem Vokabular die Dominanz der Verbalstämme: der Akzent liegt auf dem Vorgang des Hoffens (Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament THAT, 2/619; RGG3, 3/415).
Die Grundlage des Hoffens besteht dabei in der Persönlichkeit des alttestamentlichen Gottes (JHW) und in der Zuversicht auf seine Bundestreue und auf seine Verheissungen. Hoffnung ist kein abstraktes Prinzip und keine Methode sondern hat einen stark personalisierten Charakter im Hoffen auf Gott. Der Gläubige und Betende im Alten Testament hofft „auf das Wort Gottes“, „auf seinen Arm“, „sein Heil“. Im Mittelpunkt steht dabei derjenige, von dem man es erhofft: Gott ist der, „dessen Wesen Retten und Helfen ist, für Israel ist Gott die Hoffnung geworden.“ Dabei wird dieses Hoffen als Abhängigkeit von Gott verstanden, diese Abhängigkeit geschieht ohne Angst – Hoffen und Vertrauen liegen eng beisammen. Andere Hoffnungskonzepte und Hoffnungsträger stehen im Alten Testament im Gegensatz zu diesem Glaubensverständnis, sei dies die Hoffnung auf andere Götzen, auf Anführer, auf die Grösse des Heeres, auf religiöse Symbole, auf falsche Propheten, auf Menschen oder auf sich selbst. Wer auf Gott hofft, steht unter dem Segen, wer sich auf Menschen verlässt, steht unter dem Fluch (RGG4: 1823). Gott ist die personifizierte Hoffnung. Dieses Verständnis von Hoffen ist charakteristisch für das Gottesverständnis im Alten Testamentes (EKL, 4.898).
Im Alten Testament wird dabei das Hoffen auf „Heil, Rettung, Licht, Wende der Not“ gerichtet (EKL, 4.899). Hoffen ist qualitativ bestimmt, Hoffen ist stets „eine gute Hoffnung, die mit Vertrauen und Glauben das Gute, ja das Heil schlechthin erwartet“ (RGG3 3.416). Die Aspekte der Hoffnung können dabei sehr konkret sein und äusserliche Lebensnotwendigkeiten wie beispielsweise Familie, Gesundheit, Fruchtbarkeit, Reichtum und Besitz, Friede, Schutz vor Krieg oder vor Hunger betreffen – die Erfüllung dieser Hoffnungen werden als Gaben und Segen Gottes verstanden (RGG3, 3.416 und HWBP, 1159).
Hoffnung im Neuen Testament
Neben der alltäglichen Verwendung des Begriffs gewinnt Hoffnung im Neuen Testament vor allem in den Briefen des Paulus eine wichtige theologische Bedeutung, wo beinahe die Hälfte der neutestamentlichen Nennungen zu finden sind (Theologische Realenzyklopädie TRE 1986: 484). Auch im Neuen Testament gründet diese Hoffnung nicht im Menschlichen, Irdischen oder Berechenbaren. Hoffnung ist die „positive Erwartung des Heils von Gott“ und steht darin in der jüdischen Tradition (RGG3: 3.417.) Hoffnung weist dabei einen positiven emotionalen Aspekt auf, der Hoffende ist „guten Mutes, erwartet zuversichtlich, sogar mit Freude“ (RGG4: 1825). Hoffnung wird vom Ziel her verstanden, sie ist „Beharren auf das Ziel hin und wirkt Geduld und Aushalten“ (EKL: 4.900 und 4.902). Auch die neutestamentliche Hoffnung enthält die Elemente „des Vertrauens, der Geduld, des Durchhaltens“ (RGG3: 3.417 und RGG4: 1825). Dabei gehören Glaube und Hoffnung eng zusammen, Hoffnung „bezeichnet ein ständiges Moment des Gottesverhältnisses“ (RGG3: 3.418), gehört zur „Wesensstruktur“ des christlichen Daseins (RGG4: 1825) und kann sogar als ein Status und Zustand der Hoffnung verstanden werden (TRE: 484). Gottlosigkeit und Hoffnungslosigkeit werden einander gleichgesetzt (TRE: 489). Die Hoffnung gründet dabei im christlichen Glauben an die österliche Auferweckung Jesu und an die noch ausstehende Wiederkunft, die Parusie. Wie schon im Alten Testament wird Hoffnung personalisiert: Jesus Christus als Mensch gewordener und vom Tode auferweckter Gottessohn ist der Inbegriff der christlichen Hoffnung, Jesus Christus ist die personifizierte Hoffnung. Dabei ist die christliche Hoffnung nicht nur „ein unbestimmtes Offensein für die Zukunft, sondern die konkrete Erwartung Jesu Christi“ – die Parusie: theologische Hoffnung verknüpft mit der zukünftigen Wiederkunft Christi (RGG3: 3.419) Ebenso wird im Neuen Testament die Tradition des Alten Testamentes fortgesetzt, als dass die Hoffnung auf Gott selbst ruht, der einerseits christologisch andererseits schöpfungstheologisch gedeutet wird (TRE: 488).
Hoffnung in der Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts
Eine Theologie der Hoffnung hat sich nicht kontinuierlich entwickelt, vielmehr ist der Hoffnungsbegriff in wechselnden Beziehungen theologisch immer wieder aufgegriffen worden, sei dies bei Augustinus, Thomas von Acquin, Luther oder Kierkegaard (TRE: 491 ff). Herausgefordert durch Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ entwickelte sich im 20. Jahrhundert unter dem Einfluss des französischen Jesuiten Teilhard de Chardin, des deutschen evangelischen Theologen Jürgen Moltmann und des deutschen katholischen Theologen Johann Baptist Metz eine ökumenische „Theologie der Hoffnung“.
Die zweite Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1954 in Evanston stand unter dem Thema „Jesus Christus, die Hoffnung der Welt“, die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung arbeitete von 1971–1978 an einer „Rechenschaft über die Hoffnung“ und die achte Vollversammlung 1998 in Harare stand unter dem Thema „Kehret um zu Gott – seid fröhlich in Hoffnung“
Die Theologie der Hoffnung des 20. Jahrhunderts versucht dabei drei Dimensionen der Hoffnung zu berücksichtigen (ELK 4.911 – 4.913):
- Politische Dimension der Hoffnung: Da Hoffnung in der modernen Gesellschaft stark privatisiert und spiritualisiert wurde, galt es, die politische Dimension der christlichen Hoffnung zu erkennen und zu praktizieren. Wie Metz geht es Moltmann um eine konkrete Umsetzung eschatologischer Hoffnung in die christliche Praxis. Moltmann fordert eine politische Theologie, da christliche Hoffnung aktivieren soll (HONECKER: 46)
- Personale Dimension der Hoffnung: Christentum geschieht nie im Sinne eines anonymen Kollektives, sondern meint immer auch den einzelnen Menschen. So haben bereits Augustin, die Scholastiker und der Pietismus Hoffnung immer mit dem personalen Anliegen der menschlichen Seele verbunden.
- Theologische Dimension der Hoffnung: Christliche Hoffnung ist immer untrennbar mit Christus, Ostern und Parusie verbunden. Dies sind die zentralen Begründungen christlicher Hoffnung im theologischen Sinne.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts veröffentlichte der römisch-katholische Papst Benedikt XVI. 2007 als seine zweite Enzyklika die „Spe Salvi“, in der er sich mit dem Begriff der Hoffnung auseinandersetzt. Die Enzyklika befasst sich dabei mit der Hoffnung als christlicher Tugend und setzt sich kritisch mit den gesellschaftlichen, philosophischen und psychologischen Umwandlungen des Hoffnungsglaubens der letzten Jahrhunderte auseinander. Die Enzyklika beleuchtet verschiedene Hoffnungsbegriffe und die Praxis der christlichen Hoffnung. Diese Praxis wird als Gebet, als persönliche und gemeinschaftliche Begegnung mit Gott verstanden (s. a. TRE: 494). Auch Benedikt XVI betont, dass das Fundament der christlichen Hoffnung immer nur Gott sein kann, der sich in Jesus Christus als Liebe gezeigt hat, Grundlage der christlichen Hoffnung sind Ostern und (die faktisch noch ausstehende aber gemäss Bibel verheissene) Parusie. Christliche Hoffnung hat somit einen stark eschatologischen Charakter.